Typografische Neuausrichtung der zeroseven design studio
Typografie ist eine der großen Leidenschaften, mit der wir uns seit Gründung der zeroseven design studios beschäftigen. Vom selbst entwickelten Corporate Typeface, bis hin zu diversen eigenen Schriftentwicklungen.
Denn Typografie ist und bleibt eine der wichtigsten Ausdrucksformen im gesamten Branding-Prozess. Allzu oft werden jedoch die Kraft und die Möglichkeiten eines eigenen Corporate Fonts nicht ausreichend gewürdigt. Dabei sind es gerade typografische Aspekte, die nachhaltig im Unterbewusstsein des Betrachters verankert bleiben und die Wiedererkennung einer Marke prägen.
Das macht die Typografie zu einer der wichtigsten Pfeiler visueller Identitäten von Marken.
Typografie: Zwischen Kunst und Handwerk
Mit Bedacht und Feingefühl hatten wir vor knapp 10 Jahren die Frutiger als unsere Hausschrift gewählt. Für mich persönlich ist Adrian Frutiger einer der größten Schriftdesigner aller Zeiten. Seine Schrift ist der Inbegriff für perfekte Typografie.
In der Geometrie, in den Rundungen und vor allem in der Lesbarkeit. Nicht zuletzt verdankt die Frutiger ihre große Beliebtheit ihrem perfekten und zeitlosen Schriftbild.
Was verleitet nun eine Agentur wie uns, die Hausschrift zu wechseln, wenn sie doch so perfekt ist?
Typografie macht Marken
Als wir 2019 unsere eigene Marke auf den Prüfstand stellten, erkannten wir im Workshop, dass wir über unsere Hausschrift ebenfalls nachdenken sollten.
Die entscheidende Fragen dabei waren:
- Drückt die Frutiger als Hausschrift nach wie vor die Haltung und Werte der zeroseven design studios aus?
- Erreichen wir ein für uns zufriedenstellendes Ergebnis in unserer Corporate Designanspruch?
Ein weiteres Kriterium, welchen den Prozess ins Rollen gebracht hat, war unser Unternehmensstandort sowie unsere Ulmer Wurzeln mit dem Stolz und der emotionale Verbundenheit zur HfG (Hochschule für Gestaltung) in Ulm. Diese Inspiration und unsere tägliche Arbeit in der Tradition der „Guten Form“ haben uns zum Schritt bewegt, die eigene Corporate Font zu hinterfragen.
Das es eine serifenlose Grotesk Schrift sein muss, war uns allen immer klar und stand nie zur Diskussion. Nur mit einer Serifenlosen Grotesk können wir im Design das vermitteln, für was unsere Marke, unsere Werte und unsere Haltung stehen. Sie unterstützt die Marke der zeroseven design studios nachhaltig und ist ein markenbildender Aspekt in unserer Kommunikation.
Fontangebot: Wer die Wahl hat, hat die Qual
Betrachtet man sich heute den Markt der serifenlosen Schriften, so finden sich im Internet, bei diversen Fontlabels, viele sehr gute alternative Schriften, die unserer Design-Vorstellung sehr nahekommen.
Die Neue Haas beispielsweise ist eine Schrift, die von ihrer Historie und Qualität für uns im Design sehr überzeugend wirkt. Die aber auch, wie die Helvetica sehr verbreitet ist und dadurch wenig Differenzierungspotenzial bietet. Auch die überarbeitete Helvetica Now hatten wir in unserem Corporate Design Prozess intensiv getestet. Die Helvetica Now wurde von Grund auf neu gezeichnet und entwickelt.
Darüber hinaus waren noch weitere serifenlose Grotesk Schriften in der engeren Auswahl, die aber nie zu 100 % unserem Anspruch gerecht wurden bzw. die uns im Praxiseinsatz nicht überzeugt hatten.
Anfangs dachten wir, dass es für uns ein Vorteil sei, wenn die Helvetica Now eine so umfangreiche Schriftschnittsammlung aufweist. Im Praxiseinsatz hat sich das schnell zum Nachteil entwickelt.
Die Helvetica Now liefert für die unterschiedlichen Einsatzzwecke gleich drei optische Größen. Die Micro, Text und Display.
Das bedeutet, dass wir für jeden Einsatzzweck über eine für diesen Bereich optimierten Schriftschnitt verfügt hätten. Wir hatten exemplarisch den Headline-Schnitt einmal für den Mengentext eingesetzt. Hier zeigte sich schnell, dass wenn der Schriftschnitt versehentlich für den falschen Zweck zum Einsatz kommt, das homogene Schriftbild darunter leidet.
Wir stellten fest, dass hier eine große Gefahr besteht, dass der falsche Schnitt für den jeweiligen Zweck eingesetzt werden könnte. Hinzu kam: Die Administration und das Handling für die unterschiedlichen Schnitte würden im Vergleich zu anderen Schriften stark steigen.
Lange war auch die „Neue Montreal“ bei uns in der engeren Auswahl. Die Neue Montreal besticht durch viele tolle Details in ihrer Buchstabengestaltung. Zum Beispiel befindet sich beim kleinen „a“ eine sehr schöne Rundung am unteren Ende. Auf der anderen Seite besitzt auch diese Schrift Zeichen, die uns nicht zu 100 % überzeugten, wie z. B. die Zahl „1“ oder auch das große „R“.
Die Neue Montreal ist ein reiner Headline-Font. Die Laufweite der Schrift ist so eng, dass sie beim Mengentext spationiert werden muss. Ein guter Wert in der Spationierung war 20 %. In der Praxis bedeutet dies, dass für jeden Einsatzzweck die Spationierung definiert werden muss.
Das erwies sich für uns im Handling als nicht praktikabel und birgt ein zu hohes Fehlerrisiko.
Wir haben hier in unserem Blog-Beitrag die Auswahl unserer besten Akzidenz Grotesk Schriften zusammengestellt, sodass ihr Euch selbst ein Bild von unserem Entscheidungsprozess machen könnt.
Für uns war bei der Wahl und der Suche nach einer passenden Schrift, eine gute Bildschirmdarstellung eine wichtige Grundvoraussetzung.
In diesem Zusammenhang sind wir eher zufällig über die OpenSource-Schrift Inter gestoßen. Die Inter ist eine Akzidenz Grotesk Schrift mit einer Vielzahl an Eigenschaften, die uns extrem wichtig sind. Die Nähe zu unserer Historie in Ulm, die guten Eigenschaften im Design und der Gestaltung, als auch die sehr gute Darstellung auf Displays. Das hat uns von Anfang an überzeugt.
Die Inter vereint hier viele Faktoren. Durch ihren Einsatz erreichen wir die Anmutung im Design, die wir darstellen möchten, und sie ist für den modernen Einsatzzweck bestens geeignet. Darüber hinaus hat uns die Entstehungsgeschichte der Inter fasziniert. Die Inter wurde 2016 als Experiment gestartet. Das Ziel war damals, eine Schriftart zu entwickeln, die bei 11 Pixeln auf Grundlage eines Koordinatensystems (Units per EM) die ideale Lesbarkeit und Schärfe am Display aufweist.
Nach wenigen Monaten hatten die Designer die Erfahrung gemacht, dass die Schrift dadurch fast monostabil aussah und bei längerem Lesen das Auge ermüdete. Das war dann der Auslöser, die Schrift nochmals komplett neu zu entwickeln und zu überarbeiten.
Die Entwicklung der Inter war von Anfang an ein freies Projekt, in dem sich viele Designer beteiligen konnten. Die gemeinsame Entwicklung der Inter erfolgte über GitHub Community. So wurde für die Schriftentwicklung eigentlich eine Plattform genutzt, die auch in der Programmierung einen hohen Stellenwert besitzt. Dieser Weg in der Herangehensweise sowie der kollaborative Ansatz in der Teamarbeit haben uns immer mehr von der Inter überzeugt.
Für uns ein weiterer großer Vorteil: Als Gestalter kann man sich bei der Inter an einem ganzen Fundus von Sonderzeichen bedienen. Darüber hinaus können wir uns an der Weiterentwicklung und Optimierung der Inter beteiligen und unseren Beitrag zu einem Gesamtprojekt leisten. Das lag uns besonders am Herzen.
Neben der Inter war bis zum Schluss die IBM Plex in der engeren Auswahl. Die IBM Plex weist eine ähnliche Historie und Entstehungsgeschichte auf wie die Intern. Die IBM Plex wurde, wie der Name sagt, von IBM als Hausschrift entwickelt.
In der Vergangenheit setzte IBM die Helvetica als Corporate Type ein. Die Helvetica erfüllte zuletzt nicht mehr die Anforderungen der Marke an eine Schrift und konnte so auch nicht mehr auf die Werte der Marke einzahlen.
Darüber hinaus sollen die jährlich unternehmensweiten Lizenzkosten der Helvetica bei mehr als 1 Mio. Dollar liegen, sodass es nachvollziehbar wäre, dass dies u. a. IBM zu Ihrem Entschluss führte eine eigene Schrift zu entwickeln.
In der Entwicklung der Schrift wurde größter Wert darauf gelegt, dass die Schrift auf die definierten Unternehmenswerte wie „Human“ und „Engineering“ einzahlt. Ein weiter wichtiger Punkt war, dass bei der Gestaltung der Schrift, die Geometrien und Grundformen des IBM-Logos sowie die Schriften der legendären Kugelkopf-Schreibmaschine einflossen.
Die eigene Historie war dabei die wesentliche Inspiration. Das Team rund um die Entwicklung der IBM Plex wurde von Bold Monday entwickelt – ein Type Foundry aus den Niederlanden, welcher von Paul van der Laan und Pieter van Rosmalen gegründet wurde.
Hinzu kamen unterschiedliche Type Designer aus aller Welt. Besonders gefreut hatte ich mich, als ich entdeckte, dass Yanek Iontef für die hebräische Schnitte verantwortlich war. Ende der 90er hatte ich mein erstes Fontlabel „eleven7“ gegründet und unter anderem Schriften von Yankees Iontef vertrieben.
Die IBM Plex gibt es in den Schnitten Sans, Mono, Serif und Condensed. Die Schrift weist an vielen Stellen Details auf, die es wirklich in sich haben. Bei genauerer Betrachtung fallen einem schnell die charakteristischen engen Zusammenschlüsse der Buchstaben auf. Vor allem bei den Zahlen sind die prägnanten Designelemente absolut präsent. Am Anfang hatten mich diese noch gestört. Doch schnell fand an ihnen Gefallen.
Die IBM Plex ist wie die Inter ein OpenSource Font und kann frei eingesetzt werden. Man findet selten OpenSource Schriften, die in einer solchen Qualität vorliegen. In den nächsten Jahren soll die IBM Plex um weitere Sprachen erweitert werden und ist dann vermutlich eine der umfangreichsten Schriften, die frei auf dem Markt verfügbar ist.
Zum Schluss stand die gute Form des neuen Corporate Fonts
Alle unsere Designer, die im Entscheidungsprozess der neuen Corporate Typografie involviert waren, haben sich unabhängig voneinander für die Inter entschieden.
Gemeinsam sahen wir in der Inter die Schrift, die sämtliche Charaktereigenschaften und Werte der zeroseven design studios am besten widerspiegelte.
Sie erinnert uns mit Stolz an die prägende Ulmer Designzeiten mit der HfG und formuliert damit für uns täglich neu, den Anspruch an unsere Arbeit.
Damit sprachen von der Entstehung, über die Anforderungen, bis hin zu den Werten und Design-Ansprüchen alle entscheidenden Argumente für die Inter.
In unserem Blogbeitrag Alternative Schriften zur Helvetica haben wir unsere Recherche zu passenden Schriften, die wir in unserem Brandingprozess gestartet haben um viele tolle Schriften erweitert. Mittlerweile haben wir über 60 Grotesk-Schriften ausfindig gemacht, die alternativ zu einer Helvetica eingesetzt werden können. Zusätzlich finden Sie in unserem Blogbeitrag Fontlabels und Typefoundries viele Seiten in denen sie ebenfalls tolle Schriften präsentiert bekommen.
Ich freue mich, Sie mit diesem Blogbeitrag zu inspirieren, die Welt durch einzigartiges Design mitzugestalten.