Große Typografen: Otl Aicher
Der Kommunikationsdesigner Otl Aicher
Otl Aicher wurde am 13. Mai 1922 in Ulm geboren und zählt zu einen der bekanntesten Kommunikationsdesigner der Nachkriegszeit. Otl Aicher verweigerte in jungen Jahren den Eintritt in die Hitler-Jugend. Der Verstoß gegen die Jugenddienstplicht hatte zur Folge, dass Aicher nicht zum Abitur zugelassen wurde.
Mit 17 Jahren lernte Otl Aicher seine zukünftig Frau Inge Scholl kennen, der Schwester von Hans und Sophie Scholl, die durch die Nazis ermordet wurden.
Im Anschluss an das Kriegsende 1945 kehrte Otl Aicher nach Ulm zurück. Hier gründete er mit Inge Scholl die Ulmer Volkshochschule im moralischen und politischen Erbe der Weißen Rose zu Stärkung der demokratischen Gesellschaftsstrukturen. Inge Scholl übernahm 1946 die Leitung der vh Ulm.
Von 1946 bis 1947 studierte Otl Aicher an der Akademie der bildenden Künste in München. Nachdem er sein Studium abgebrochen hatte, gründete er 1948 ein Büro für Gebrauchsgrafik in Ulm. Seine ersten Gestaltungsaufträge waren Veranstaltungsplakate und Informationsbroschüren der Ulmer Volkshochschule.
Hochschule für Gestaltung in Ulm
Aicher war ein strikter Verfechter der Ordnung und Ökonomie im Grafikdesign. So traf er Ende der 1940er Jahre zusammen mit Inge Scholl und dem Bauhaus-Absolventen Max Bill erste theoretische und konzeptionelle Vorarbeiten für eine eigene Hochschule für Gestaltung. Deren Grundsteinlegung am oberen Kuhberg 1953 geschah. Max Bill war verantwortlich für die Planung und Gestaltung des Hochschulkomplexes. Otl Aicher wurde an der HfG Dozent für Visuelle Kommunikation.
Der Lehrbetrieb der HfG wurde am 3. August 1953 zunächst in den Räumlichkeiten der vh Ulm aufgenommen und nach der Eröffnung des Hochschul-Campus am 2. Oktober 1955 am neuen Standort fortgeführt. Neben zahlreichen Persönlichkeiten aus Kultur und Wirtschaft war Walter Gropius, der ehemalige Bauhaus-Direktor zur Eröffnung anwesend.
In der Zeit von 1953 bis 1968 betreute Otl Aicher die Abteilung „visuelle Kommunikation“ an der HfG. In dieser lehrte er Fotografie, Grafik, Typografie und technische Kommunikation.
Max Bill trat 1956 als Rektor zurück und Otl Aicher übernahm bis 1958 mit seinen Rektoratskollegen die Leitung der HfG. Von 1962 bis 1964 war Otl Aicher Rektor der HfG.
Schon frühzeitig erkannte Otl Aicher mit seinen Dozenten das Potenzial und die Möglichkeit mit den HfG-Studierenden zusammen, über sogenannte „Entwicklungsgruppen“ für Wirtschaftsunternehmen zu arbeiten.
Innerhalb der Hochschule wurden eigenständige Designbüros gegründet. Diese übernahmen unterschiedliche Aufgaben. So wurde der Grundstein gelegt für die Entwicklungsgruppe E5, die unter der Leitung von Otl Aicher ab 1962 das Corporate Design der Deutschen Lufthansa AG entwickelte.
Nachdem Otl Aicher 1967 „Gestaltungsbeauftragter“ für die Olympische Spiele 1972 wurde, verlegte er sein Büro nördlich von München nach Garching, wo er bis 1972 das Corporate Design der Olympischen Spiele entwickelte. Der Lehrbetrieb der HfG wurde dann am 1. November 1968 eingestellt in politisch bewegten Zeiten und durch eine nicht sichere Finanzierung der Hochschule.
Rotis eine einzigartige Schriftfamilie
Im Rahmen seiner Grundsätze zur Optimierung der Lesbarkeit von Texten entwarf Otl Aicher eine Schriftfamilie: die Rotis, die - benannt nach seinem Wohnort - in vielerlei Hinsicht als einzigartig bezeichnet werden kann. Im Jahre 1989 wurde sie von der Agfa Compugraphic Corporation veröffentlicht.
Üblicherweise setzt sich eine Schriftfamilie aus verschiedenen Dicken, Weiten und Kursivvariationen zusammen. Die Familie der Rotis umfasst darüber hinaus zwei Grundstile der Typografie wie Grotesk- und Antiquaschnitte. Diese kommen mit den Zwischenstufen Semigrotesk- und Semiantiqua. Aichers Zielsetzung beim Entwurf der Rotis war es, durch die Schaffung dieser Familie alle anfallenden typografischen Aufgaben zu erfüllen.
Otl Aicher starb am 01. September 1991 nach einem Unfall in seinem Heimatort Rotis über Leutkirch.
Uns Gestalter und Designer erfüllt es mit Stolz sowie Freude, dass wir hier in Ulm so eine historische, sozialpolitische und gestalterische Vergangenheit haben. Das mit Olt Aicher einer der größten Designer der Nachkriegszeit hier in Ulm mit der Gründung der vh Ulm und der HfG Geschichte schrieb.
Die Räumlichkeiten der HfG Ulm vermittelt nach wie vor ein bemerkenswertes Flair. Wer hätte hier nicht gerne studiert? Die Räume dienen heute als Gewerbeeinheiten und werden durch das Aicher-Scholl-Kolleg der Ulmer Volkshochschule sowie für Vorträge genutzt. Das HfG Archiv ist ebenfalls an der ehemaligen Hochschule angesiedelt.
Quellen:
https://www.hfg-ulm.de/de/
https://hfg-archiv.museumulm.de
https://www.vh-ulm.de
https://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/weisse-rose/
Weiterführende Beiträge zum Thema Typografie finden Sie in unserem Blog unter:
- Fontlabels und Typefoundrie
- Alternative Schriften zur Helvetica Teil 1
- Alternative Schriften zur Helvetica Teil 2
- Alternative Schriften zur Helvetica Teil 3
- Gängige Fontformate
- Grotesk-Schriften im Trend der Zeit
- Große Typografen: Adrian Frutiger
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